Bremsscheiben effektiv schützen durch neues Fraunhofer-Beschichtungsverfahren

Zu den am stärksten beanspruchten Teilen eines Autos gehören Bremsscheiben. Sie erzeugen durch den hohen Verschleiß eine hohe Umweltbelastung durch Feinstaub. Ein neues Beschichtungsverfahren des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der RWTH Aachen University reduziert diese Nachteile signifikant. Mit dem Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (EHLA) können erstmals schnell und wirtschaftlich Verschleiß- und Korrosionsschutzschichten auf Bremsscheiben aufgebracht werden.

Herkömmliche Bremsscheiben bestehen aus Gusseisen mit eingelagertem Graphit, das sich durch eine gute Temperaturleitfähigkeit und ein gutes Wärmespeichervermögen bei gleichzeitig geringem Preis auszeichnet. In Kauf genommen wird dabei aber eine starke Korrosionsneigung und hoher Materialverschleiß im Betrieb, der zu beträchtlichen Feinstaubemissionen führt. Übliche Beschichtungsprozesse – etwa galvanotechnische Verfahren oder thermisches Spritzen – können die Bremsscheiben bislang nicht effektiv schützen. Denn sie ermöglichen nicht eine direkte Verbindung der Schutzschichten mit dem Gusseisen und sind material- und kostenintensiv.

Wirtschaftliche und technische Vorteile

Ein neues Verfahren kann nun aber diese Nachteile vermeiden: das Extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (EHLA) – entwickelt vom Fraunhofer ILT in Aachen gemeinsam mit dem Lehrstuhl Digital Additive Production DAP der RWTH Aachen University.

»Das EHLA-Verfahren eignet sich besonders für die Automobilindustrie – z. B. für die Beschichtung von Bremsscheiben, die bisher wegen der großen Belastungen und hohen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit nur schwierig beschichtet werden konnten. Durch EHLA lassen sich erstmalig gut haftende Schichten auf Bremsscheiben auftragen, die fest mit dem Grundstoff verbunden und im Gegensatz zu den mit herkömmlichen Verfahren erzeugten Schichten nicht abplatzen können«, so Thomas Schopphoven, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Teamleiter »Produktivität und Systemtechnik« in der Gruppe Laserauftragschweißen am Fraunhofer ILT.

Klassische Verfahren am Limit

Während die Schichten herkömmlicher Verfahren Poren und Risse aufweisen, sind die mit dem EHLA-Verfahren erzeugten Schichten dicht und schützen das Bauteil wesentlich effizienter und langfristiger. Dies erhöht die Lebensdauer und verhindert frühzeitige Ausfälle durch Oberflächenschäden der Reibflächen. Da mit dem Verfahren eine große Materialpalette verarbeitet werden kann, wird eine an die jeweilige Anwendung angepasste Beschichtung mit umweltfreundlichen Materialien möglich.

Die Innovation basiert auf einem bekannten Verfahren, dem Laserauftragschweißen, das sich als Reparaturverfahren z. B. für Turbinenschaufeln bewährt hat. Gegenüber diesem bietet EHLA allerdings entscheidende Vorteile.

Hohe Prozessgeschwindigkeiten senkt Wärmeeintrag

Beim EHLA-Verfahren werden die Pulverpartikel des Beschichtungswerkstoffes direkt im Laserstrahl aufgeschmolzen und nicht erst im Schmelzbad auf der Oberfläche des Bauteils. Da so flüssige Materialtropfen statt feste Pulverpartikel in das Schmelzbad gelangen, kann die Prozessgeschwindigkeit von bisher 0,5 bis 2 Metern pro Minute beim herkömmlichen Laserauftragschweißen um mehrere Größenordnungen auf bis zu 500 Meter pro Minute gesteigert werden.

Dies führt dazu, dass die Wärmeeinwirkung auf das zu beschichtende Material deutlich sinkt. Statt wie beim herkömmlichen Laserauftragschweißen bis in den Millimeterbereich wird durch EHLA das Material nur im Mikrometerbereich thermisch beeinflusst. So werden vollkommen neue Materialkombinationen möglich: z. B. die Beschichtungen von Aluminium- oder Gusseisenlegierungen – wie nun bei den Bremsscheiben.

So wird nun auch vermieden, dass sich der Kohlenstoff aus der Bremsscheibe in der Schmelze löst, wodurch sonst spröde Phasen, Poren, Bindefehler und Risse in der Beschichtung bzw. der Anbindungszone entstehen. Damit können Bremsscheiben aus Grauguss erstmalig effektiv und stoffschlüssig, d.h. mit direkt verbundenen Schichten geschützt werden.

Ressourceneffizient und prozesssicher mit hoher Qualität

Normalerweise können mit Auftragschweißverfahren nur dicke Schichten ab einem halben Millimeter hergestellt werden, wodurch viel Material eingesetzt werden muss und die Nachbearbeitung sehr aufwändig ist. Das EHLA-Verfahren ermöglicht es nun, sehr dünne Schichten mit Dicken von 25 bis 250 Mikrometern aufzutragen. Die Schicht wird reiner und glatter – die Rauheit konnte auf etwa ein Zehntel bisheriger Werte reduziert werden.

Außerdem werden beim neuen EHLA-Verfahren rund 90 Prozent des Materials genutzt. Dadurch ist das Verfahren extrem ressourcenschonend und wirtschaftlicher. Die Voraussetzungen für den serienmäßigen, industriellen Einsatz sind damit gegeben.

Und dieser steht kurz bevor. Erste erfolgreiche Untersuchungen beweisen, dass das EHLA-Verfahren mittlerweile die reproduzierbare Herstellung beschichteter Bremsscheiben auf der Basis konventioneller Grauguss-Scheiben mit unterschiedlichen Materialkombinationen ermöglicht. Eine serientaugliche Anlagentechnik mit angepasster Endbearbeitung durch Schleifen wird gerade in Aachen durch die Firma HPL Technologies aufgebaut.

Mehrfach ausgezeichnete Innovation

Übrigens überzeugten die Vorteile des Verfahrens gleich drei Jurys renommierter Innovationspreise: Bereits mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2017 ausgezeichnet, erhielt EHLA den Berthold Leibinger Innovationspreis 2018 und wurde im gleichen Jahr als umweltfreundliche Laser-Alternative zur Chrom(VI)-Beschichtung mit dem 2. Preis des Stahl-Innovationspreises in der Kategorie »Stahl in Forschung und Entwicklung« ausgezeichnet.

Fraunhofer auf der IAA 2019

Details zum EHLA-Verfahren und weiteren aktuellen Themen aus Forschung und Entwicklung erfahren Interessenten vom 10. bis zum 13. September auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand C12 in Halle 4.1 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 2019 in Frankfurt.

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